Dark Easter Metal Meeting 2023 · Sounds Tag 1

Inhalt

Part I - Reise, Tickets, Tipps
Part II - Sounds Tag 1
Part III - Sounds Tag 2


In Aphelion: Im Norden nichts Neues - oder etwa doch? (14:30, Werk)

[PW] Sebastian Ramstedts „Nebenkapelle“ eröffnen das Dark Easter Metal Meeting 2023. Die Band besteht zu zwei Dritteln aus Necrophobic Mitgliedern, was man man quer durch das gesamte Set hört. Zusätzlich zur Lead-Gitarre fungiert Ramstedt als Sänger und (auf Platte) als Bassist. Die Handschrift ist deutlich. Trotzdem kann In Aphelion durchaus mit eigenen Akzenten punkten. Der Fächer ist breiter als bei Necrophobic: Sei es das rockige, an Satyricon erinnernde „Luciferian Age“ oder die langsamen, doomigen Parts von „The Night Seems Endless“. Zusammen mit den furios gespielten Solos von Ramstedt entsteht ein Live-Auftritt der einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Nach 10 Minuten klappt es dann auch mit dem Sound im Werk. Toller Einstieg in ein langes, dunkles Wochenende.

[CS] Als Opener agieren IN APHELION und da hast du ihn wieder, den Verpackungswahnsinn oder die Frage, wer hinter welchem Label sich versteckt. Dessen ungeachtet, brettern die Nordländer los wie jene berühmte Gewitternacht. Ein würdiger Festival Opener mal Hundertpro und weil alle, die was auf sich halten, jene Gitarrenduelle von Ramstedt und Bergebäck in höchste Himmel loben, stimmen wir gleich mit ein. Sowohl optisch wie akustisch wird durchgehend gute alte Heavy Metal Kultur gepflegt gleich Grimassenspiel, Solis & Duetteinlagen. Dass die verdammt noch mal gerne auf der Bühne stehen, glaubst du jedenfalls auf jeden Ton. Sag «Rampensäue» und keine*r hält dagegen.

[CK] Das WERK füllt sich minütlich, Bier fliesst in güldenen Bechern, es kann endlich losgehen. IN APHELION machen den Anfang und reissen von der ersten Sekunde an alles runter, was noch an eventueller Zurückhaltung da war. Für mein Empfinden in der Basis eine schnörkellose Hommage an den schwedischen Blackmetal, was aus meiner Sicht vor allem Sebastian Ramstedts Stimmlage- und Technik, der stilistischen Vergangenheit der Bandmitglieder geschuldet ist. Die Songs kommen sehr sorgfältig geschrieben, druckvoll und überzeugend bei mir an. Thrash-Metal Parts, melodiöse Solis – eine Vielfalt von stimmig ausgearbeiteten Kompositionen. Die Riffs und Harmonien von Johan Bergebäck dazu entfalten sich wie ein warmes Leuchtfeuer. Die Wirkung kommt Flut und Ebbe gleich, von Magiern angeführt. Dem Namen der Band entgegengesetzt fühle ich mich in diesem Moment nicht an dem von der Sonne am weitesten entfernten Punkt. Diese Sonne geht am nördlichsten, kältesten Punkt auf und wärmt mich bis in die letzte Zelle. Ich ergebe mich. Und mit mir – so erscheint es – die grosse Mehrheit des Publikums. Wenn es eine perfekte Zusammenkunft von Klang, Können, Atmosphäre und Zeitpunkt an einem Festival gibt – dann haben IN APHELION in «gewusst-wie»-Manier am heutigen Samstag den Haken richtig eingehängt.

Spätestens jetzt muss das erste Bier her und für mich ein Gegenüber, dem ich sagen kann: «Wie geil war denn das gerade bitte?»


Vegetativpause und ein kleiner Black Hole Werbeblock

Danach Vegetativpause, damit Organismus im Gleichgewicht bleibt. Da und dort unübersehbar auf Tischen verteilt diese Black Hole Fest Flyer, was du dir im Kalender markieren sollst, weil optimales Lineup! Den Reto trifft man da und dort, aber eigentlich brauchst du bloss der Papierflut zu folgen. Die Party steigt am 29./30. September 2023 in der Balver Höhle.


Sulphur Aeon (16:20, Werk)

[CK] SULPHUR AEON eröffnen ihre Darbietung mit einem der flashendsten Intros, die ich in den vergangenen Jahren gehört habe. Da gefriert mir schon wieder die Rückenhaut. Thorsten Horstmanns verheissungsvolle Riffs schiessen mich ab Sekunde eins ins Weltall. Martin Hellion’s episch klassischen Gesang gepaart mit kellertiefem Growling resonieren in meinem Ohr - einfach gut. Bereits jetzt sinkt mir mein Hinterteil gefühlt in die Erdkruste. Ja, gerne mehr davon. Die Schreie - ein Ausdruck von Satthaben erster Güteklasse. Die ganz minim eingestreuten, gerollten R’s – köstlich. Die Riffs, zunehmend fordernd, treiben meinen Herzschlag in aerobe Bereiche. Es ist Rettung in Sicht, die satten Drums von Daniel Dickmann geben mir wieder Boden. Klanglich wunderbarst abgemischt, doublebass genau wie eine Atomuhr....ich könnte vor lauter Ergriffenheit über den perfekten Sound jede Trommel und jedes Becken beschreiben, aber das führte hier zu weit. SULPHUR AEON bieten eine klangliche Delikatesse, in jeder Hinsicht.


Darkened Nocturn Slaughtercult (18:10, Werk)

[CK] Ohne Vorwissen lasse ich mich auf dieses Ritual ein. Ich bin fasziniert von der Stimmgewalt und Strahlkraft dieser Völva. Von der unumstösslichen Konsequenz dieser Band. Ich will versuchen zu verstehen. Onielar frönt, höhnt in totaler Kompromisslosigkeit dem Ursprung des Black Metal, in tiefster Mystik. Ihre dunklen Voraussagungen ritzen sich in meinen Gehörgang, ihre peitschenden Rufe verwünschen alles Leben, ihre Bühnenpräsenz ist gnadenlos. Eine Herausforderung für mich. Die Atmosphäre, die diese Band kreiert, überlebt scheinbar alles. Metzelt es nieder und baut ein künstlerisches Boot daraus, das einfach weitersegelt. Wer nur Spass oder Harmonie will, kriegt hier nichts als eins in die Fresse, bis man gefühlt die Existenz eines Wurmeis erreicht hat. Wieso schmeckt mein Bier plötzlich nach Blut? Ja, diese Erfahrung ist absolut körperlich. Ich benötige nun umgehend Nahrung und Antworten.


Vermilia (19:05, Club)

[CS] Wenngleich die Studioerzeugnisse von VERMILIA für meinen Geschmack etwas flach und absehbar geraten (zu sehr spürbar bleibt, dass hier die ein und selbe Person am Werke ist), geht live gehörig die Post ab. Zweifellos Vermilias wegen, unterstützt durch Musiker, die nicht einfach bloss ihren Job erledigen. Für mich klar eine der positiven Überraschungen des DEMM.


Candlemass (21:50, Werk)

[CS] Ob die Altherren von Candlemass ins Festivalkonzept passen, fragst du dich. Na ja. Jener Doom Metal, mit dem einige von uns noch aufgewachsen sind, stellt sich in die Gegenwart des DEMM hinein wie etwa ein Museumsrelikt. Solche, die Epicus Doomicus Metallicus oder Nightfall als Kultscheiben bezeichnen, kommen heuer um leise Enttäuschung wohl kaum herum.


Skyforger: Baltische Vikinger (20:55, Halle)

[PW] Skyforger sollte jedem, der sich mit Pagan-Metal anfreunden kann, ein Begriff sein. Die kultigen Letten begannen 1991 unter dem Namen Grindmaster Dead und benannten sich 1995 in Skyforger um. Druckvolle, trashige Riffs und die aggressiven Screams von Frontmann Pēteris gehen sofort ins Ohr und reissen mit. Lediglich die auf Platte rücksichtslose Vergewaltigung einiger Blas- und Saiteninstrumente oder die Verwendung eines Männerchors fehlen Live gänzlich. Passt für mich so. Im Gegenzug gibt‘s preschende Songs, die zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lassen. Der Auftritt macht Spass  - viel Spass. Die Band hat merklich gute Laune und erzählt zwischen den Songs Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten.


Kvaen (23:10, Club)

[CR] Die Schweden die als nächstes den Backstage Club betreten erlangten mit ihren beiden in den letzten 3 Jahren veröffentlichten Longplayern “The Funreal Pyre” und “The Great Below” viel positives Echo. Umso gespannter bin ich, wie die Jungs um Jacob Björnfot das Material live auf die Bühne bringen. Etwas nervös wirken sie, doch handelt es sich auch um einen der bisher noch nicht sehr zahlreichen Auftritte ausserhalb Schwedens. Die Band hatte das Publikum dennoch schnell im Griff. Wie gross die Hit-Dichte der beiden bisherigen Veröffentlichungen ist, zeigt sich im Verlauf des Sets und der Auftritt vergeht wie im Fluge. Gegen Ende reichte es sogar für einen kleinen Moshpit im ebenfalls SEHR kleinen Club. Ich würde mich freuen, die Band bald einmal in der Schweiz ein zweites Mal sehen zu dürfen.


Thy Light: Vertonte psychische Abgründe (23:10, Halle)

[PW] Eine gewisse Bekanntheit scheinen Thy Light in der DSBM-Szene durchaus erlangt zu haben. Oder es liegt am kalten und regnerischen Wetter, dass die anwesenden Metalheads nach drinnen treibt?  Jedenfalls platzt die Halle kurz vor ihrem Auftritt aus allen Nähten. Der Vorhang fällt und die Finsternis erhebt sich. Thy Light schaffen es mit ihren langsamen, melodiösen Riffs eine extremdichte Klangatmosphäre zu erzeugen und Gefühle zu wecken, die einem selbst nicht wirklich geheuer sind. Sänger und Mastermind Paolo Bruno krächzt und quält sich mit schmerzverzerrter Stimme durch die überlangen Songs. Trotz der schieren Menschenmasse vor der Bühne bin ich während des Auftritts in meiner eigenen Welt. Blicken zu meiner Seite bestätigen, dass es nicht nur mir so ergeht. Selten erlebte ich Musik in Form eines Live-Auftritts derart berührend und emotional mitreissend wie jener von Thy Light.

[CK] Nach einer – zugegebenermassen stundenlangen - Neukalibrierung bin ich bereit fürs Abtauchen in den Abyss von THY LIGHT. Eine erneute Premiere in jeder Hinsicht, da ich die Band vorher nicht gekannt habe und nur durch die Empfehlung eines lieben Freundes aus Lappland nun hier in der massiv gefüllten Halle stehe. Ich hole tief Luft, nicht nur, weil es mir rundum zu eng ist. Diese brasilianische Band schafft es, ihr Fangnetz auszuwerfen, mich mit ihren Klängen von Ewigkeit und Tonnen von Blei mit in ihre Welt zu ziehen. Es sind genau diese Sphären, die ich nun brauche. Dazu das blaue Bühnenlicht. Ich sehe Menschen um mich, die ihre Augen beim Tauchen geschlossen haben. Etwas abgelenkt von der lautstarken Extase meines Konzertnachbarn frage ich mich am Rande; «Weshalb Corpse Paint und Kapuzen? Bin nur ich das, oder hat diese Form von Bühnenoutfits in den letzten Jahren auffällig zugenommen?» Ich wünsche mir manchmal mehr feine Authentizität im Bezug auf stilistische Merkmale. Mir kommt doch bei THY LIGHT’s Kompositionen von Endlosigkeit als erstes der Amazonas-Regenwald als Bildgedanke. Die indigene Bevölkerung, die im Zuge der Zerstörung dieser Welt-Lunge, ihres Zuhauses, einfach alles verliert. Diese Depression symbolisiert für mich die Schwere der Band und über genau dieses Thema würde ich gerne mal mit der Band sprechen. Mein Haupthaar schüttelt immer noch mit, ich feiere mit ihnen in der Schwere das satte Leben.

(Text und Bilder von C. Kuster [CK], C. Renner [CR], C. Sturzenegger [CS], P. Weber [PW])

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Fotos

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Vermilia

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