VIENNA METAL MEETING 2025

MORBIDES

Das VIENNA METAL MEETING stellt im Kalenderjahr das wohl letzte Festival dar, welches dich mit Freiluftmetal versorgt. Wer den Lifestyle dazu noch touristisch pflegen will, ist in der Landeshauptstadt so oder so an der richtigen Adresse.

Gemäss eigenhändig durchgeführtem Städtevergleich beträgt der Morbiditätsfaktor Wiens satte 10/10. Die Verehrung Verblichener wird mit burlesker Hingabe zelebriert, dass es im Volksmund heisst: «In Wien musst du erst sterben, wenn du berühmt werden willst – aber dann lebst lang.» Entsprechend reich bevölkert zeigt sich der urbane Untergrund, sodass im Kerngebiet kein vernünftiger Schritt zu machen ist, ohne über Leichen zu gehen. Allein der Zentralfriedhof beherbergt mehr davon als die Millionenmetropole Lebende vorzuweisen hat, nicht eingerechnet eine Unzahl an Krypten, mittelalterlichen Pestgruben oder medizinische Artefakte, die in irgendwelchen Kellern Staub ansammeln. Die Überzeugung, dass «Gevatter Tod» ebengerade Wiener/in sein müsse, scheint jedenfalls nicht aus der Luft gegriffen.

Damit du dich ennet des Touristroms nicht verlierst, versorgt dich die Festivalpage praktischerweise gleich noch mit einem Führer in die Dunkelheit (Vienna’s Hidden Darkness). 


FESTIVAL

Auf dem Vorplatz des ehemaligen Auslandschlachthofs St. Marx tummelt sich eine Schar dunkel Gewandeter, zumeist mit Flaschen bewehrt. Also richtig geraten.

Durch eine Luke hindurch wird mir der Pass gereicht, dazu noch ein Stoffband ums Handgelenk gewickelt. Und Servus. Anschliessend streune ich durchs Gelände und verliere mich in verwinkelten Räumlichkeiten, wo einst Grossvieh letzte Tage zählte. Wandmalereien und Aufgeklebtes zeugen von hingebungsvollem Kulturkampf, schliesslich musste das Gelände während später Siebziger erst aus den Klauen des Kapitalismus «befreit» werden. Woran auch die städtische Scharmoffensive nichts zu ändern vermochte, denn wie anderswo ging der Klassenkampf munter weiter. Imperativ letztlich  lieb bis heute derselbe.

Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es in die grosse Halle, um VIGLJÓS abzulichten. Seit ihrem ersten Auftritt 2024 im Dynamo Zürich (siehe Bericht) haben die Basler deutlich dazugewonnen. Schnörkellose Arrangements sitzen wie aufs Auge gedrückt, dazu strotzt Bühnenpräsenz von schierer Eindringlichkeit. Heimatbonus hin oder her: Ein geniales Set, welches uns geboten wird!

Noch während die Imker in den letzten Klängen liegen, weihen HEIDNIR die Outdoor Bühne ein. Das Soloprojekt von Andreas Krempler geniesst hierzulande spürbaren Kultstatus, live stehen noch ein paar Kollegen mit auf der Bühne, die gleich alles geben. Blastbeatgewitter die über uns hinweg donnern, rasantes Tremolo-Riffing, dazu Kremplers unverkennbar keifender Gesang. Songstrukturen passen, Tempomanagement erst recht, dazu noch freust du dich fotografisch an schöngemalten Corpsepaints. Live jedenfalls überzeugt mich die Mucke wesentlich mehr als auf Konserve. 

Anschliessend folgt die HOULE-Pause (Absage), welche tresenmässig genutzt werden will - und wird. Preise gestalten sich im Heimatvergleich wie Happiest Happy Hour im Ferienressort, noch dazu hält Wolkendecke ihr eigenes Wässerchen gnädig zurück.  

Als nächste sind WARFIELD auf der Hauptbühne gebucht und um ehrlich zu sein: «Who the f*** is WARFIELD?» Doch was die Teutonen auf die Bretter hauen, hat Faust und Klaue sprich deutlich mehr als Prä-Millennium Copy-Paste Trash, wie wir ihn zur Genüge kennen. Messerscharfe Riffs hochpräzise ins Publikum gepeitscht, schweisstreibende Rhythmen, dazu jene punkig aufmüpfigen Vocals, die man so liebt(e). Kaum zu glauben, dass die bloss zu Dritt auf den Brettern rocken. WARFIELD muss man sich auf jeden Fall merken!

Happiest Happy Hour fortgesetzt begegne ich den Jungs von VIGLJÓS auf einen Kurztalk. Von der Realisierung grosser Pläne ist die Rede, zudem solle GRAVPEL nicht voreilig abgeschrieben werden. Sind wir mal freudig gespannt!

Als nächste spielen FIRTAN in der grossen Halle. Ihr Album Ethos (2023) hatte es mir damals ziemlich angetan, entsprechend erwartungsvoll höre ich ihrem Auftritt entgegen. Das Quintett legt rasant wuchtig los und enttäuscht kein bisschen, wobei Geigerin Bachmair sich optimal ins Liveset einbindet. So darf BM sich anhören!

Als HYPOCRISY Hauptbühne entern, ist es bereits am Eindunkeln. Die Schweden liefern ein powervolles Set à la Headbanger's Heaven sprich in Knochen ziehender Oldschool Drive. Tägtgrens Stimme reisst auch im Bruce-Modus nicht ab, während Saitenfraktion und Kübelmann feuern, was das Zeug hält. Obwohl ich die Truppe gewiss nicht zum ersten Mal live erlebe, gerät der heutige Abend zur Konversion.

Das Schöne an der Wiener Arena ist, dass du von fast überall Optimumblicke auf die Bühne geniesst, dazu noch bei vorzüglicher Soundquali. Einziges Manko stellen kurze Unterbrechungen im Audiofluss dar, wie du sie gelegentlich beim Netflixen erlebst. Oder alten CD's, wenn die plötzlich zu ruckeln beginnen. Aber egal. 

Für GRÁB setze ich mich schon mal in die leere Halle und lausche dem Soundcheck. Letztes Mal war am Dark Easter Metal Meeting in München gewesen, kurz darauf hatten sie ihr Ende bekannt gegeben. Dass heuer ein anderer Geist weht, hörst du bereits beim Einspielen. Die da auf der Bühne stehen, geben alles, um ihrer Kunst ein letztes Denkmal (zumindest in diesem Gewand) zu setzen. Schlicht grandios!

In der Zwischenzeit wurde auf der grossen Bühne eine Art Babyskelett-Mikroständer montiert plus Hintergründe plakatmässig gestaltet. Das Thema heisst W.A.S.P. sprich Blackie Lawless als einzig verbliebenes Mitglied der originalen 82er Besetzung. Für mich quasi Nachsitzen, weil bisher keine Mühen unternommen worden waren, die Amis live zu sehen. Schliesslich fand damals noch säuberliche Unterscheidung zwischen Posern und Nichtposern statt, eine Einstellung, die sich mehr schlecht als recht ins einundzwanzigste Jahrhundert transportieren liess. Zumal das Quartett heute deutlich beweist, dass Altmetall zwar Altmetall, mit einer gehörigen Portion Humor und Spielfreude jedoch zum Leben erweckt werden kann. Insbesondere Doug Blair an der Leadgitarre überzeugt durch variantenreiches Spiel und wunderbar klassisch inszenierten Solos. Tipptopp und was willst du mehr?


FAZIT

Herzlichsten Dank an Organisatorinnen und Organisatoren für ein rundum gelungenes Festival!!! 

Die Arena Wien präsentiert sich als urban gemütliche Location, noch dazu lassen Ausstattung und Kulinarisches wenig Wünsche offen. Bei sorgsam zusammengestelltem Lineup geriet Stimmung superentspannt, zumal Wetter mehrheitlich mitspielte. Ein MUST für Städtereisende mit metallischer Ader!



Text und Fotos von C. Sturzenegger


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Fotos

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Warfield

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Hypocrisy