Am Eros At Arms 2024
Mit ausgesuchtem Lineup begeisterte das heurige Eros At Arms Festival nicht nur Freunde schwerer Metallmusik. Denn das Zürcher Publikum bewies, dass es mit einer weit geöffneten Stilkiste umzugehen weiss!
Freitag, 17. Mai 2024.
Vígliós eröffnen das Festival. Die Basler hüllen sich in Imkerkutten inklusive weidengeflochtener Gesichtsschutz. Bloss die Person am Mellotron trägt eine Art kegelförmige Haube. Ob da jetzt irgendwie karikiert wird, fragst du dich, hauseigener Codex auf die Schippe genommen werden will? Die Vier jedenfalls spielen rauen, ursprünglichen BM, der stilistisch da und dort im Sinne von klassischer HM-Riffarbeit durchbrochen wird. Auch der Vokalbereich zeigt sich von Kreischen hin zu Reingesang insgesamt variabel oder gar experimentierfreudig. Eine spannende Sache, was Vígliós hier zu bieten haben - auch wenn die Findungsphase der Truppe bestimmt noch nicht als abgeschlossen gilt.
Nach einer kurzen Pause entern Perchta die Bühne, welche sich am Münchner DEMM als eine der grossen Überraschungen entpuppt hatten. Die Österreicher um gleichnamige Sängerin überzeugen auch in Zürich mit variantenreichem, folkloristisch so oder so angereichertem Schwarzmetall. Dass in der Tiroler Heimatsprache gesungen wird, verleiht dem Oeuvre eine geheimnisvoll knisternde Note. Auf Nachfrage fasst Perchta den Aufenthalt im Nachbarland folgend zusammen:
Super Organisation, tolle Crew, alle waren mega hilfsbereit! Das Publikum liess sich super auf unsere Show ein, wir haben es sehr genossen und kommen gerne wieder!
Für Aluk Todolo hängt eine einsame Glühbirne von der Decke, ansonsten wird luminös Strom gespart. Die Franzosen zelebrieren cineastischen Okkult Rock mit schwarzmetallischem Wurzelwerk. Ihren Songs gönnen sie die Zeit, sich in Ruhe und Sturm zu entwickeln, vom Publikum wird dasselbe abverlangt. Wer sich darauf einlässt, taucht ein in eine bildgewaltige Grundstimmung, die an Wenders-Wüstenfilme erinnert, ergänzt um einen Zacken Rodriguez B-Movie. Für mich jedenfalls ein Hammerset!!!
Für die Darkwaver She Past Away versammeln sich erstaunlich viele Hörer*innen vor der Bühne, manche davon scheinen exklusiv angereist zu sein. Bereits nach wenigen Songs kommt Bewegung in den Saal und irgendwie bemerkenswert, wenn einer im Depressed-Satan Shirt (oder so ähnlich) wie junger Elvis mit den Hüften wackelt plus Arme verrenkt, dass einzig Drehglitzerkugel noch fehlt. Da soll mal einer behaupten, BM-Szene sei scheuklappig unterwegs oder so...
Wolfbrigade, so hatte ich glaub’s im Vorbericht erwähnt, erinnern von der Attitüde her an Lemmys Motörhead. Bloss noch um einiges aufgerauter, speediger, vor allem aber deutlich violenter. Live halten sie, was versprochen wird, starten furios ins Set und rollen den Saal von hinten her auf. Ein mitreissend bodenständiges Set!
Samstag, 18. Mai 2024
Sum of R wurde 2009 von Reto Mäder ins Leben gerufen und fanden im Laufe der Jahre zu einer Konstellation, die auf nahezu hypnotische Weise korrespondiert. Sie selbst beschreiben ihre Musik als Psychedelic Kraut Doom, was mal keine schlechte Vorstellung vermittelt. Liveauftritte geraten atmosphärisch stimmungsgeladen, wobei das Gefühlsbarometer von durchscheinender Leichtigkeit hin zu beklemmender Schwere flüssig durchlaufen wird. Da das finnisch/schweizerische Trio ihr Werk geradeso aus dem Moment heraus interpretiert, geraten sie keineswegs in die Tretmühle des Herunterspielens. Reto fasst zusammen:
Es war uns eine Ehre! Dank dem durchmischten Gesamtprogramm haben wir uns die Freiheit genommen, das Set mit mehr Synth-Sounds zu spielen als bisher üblich im Zuge des Lahbryce Albums. Es ist immer noch nicht ganz einfach, besonders in der Schweiz, innerhalb eines Metal-Rahmens mit abweichender Soundästhetik ausserhalb von Metal Genres akzeptiert zu werden . Aber gerade ein Festival wie das Eros At Arms mit Fabian und Okoi als Kuratoren helfen zu dieser Öffnung bei. Dieser Mut, die musikalische Vielfalt und die Neugierde schätzen wir sehr. Liebe Grüsse, Reto.
ArsGoatia spielen zornig okkulten BM diverser Schattierungen, dazu noch mit längst vergessen geglaubter Anarcho-Punkattitüde, was sich sowohl auf als auch neben der Bühne äussert. Ihr Auftritt überzeugt primär durch jenes unbändig Brachiale, was mehr als Performance zu sein hat, als zum Beispiel Grundhaltung (oder von mir aus Perspektive). Jedenfalls gehören ArsGoatia zweifelsohne in jede halbwegs ambitionierte TRUE-Diskussion eingeflochten. Thom selbst meint:
Für ArsGoatia war‘s das erste Mal am EAA und zugleich das Schweiz Live-Debut! Wer von uns Dienst nach Vorschrift erwartet, ist definitiv an der falschen Veranstaltung und das EAA hat unser Chaos tapfer weg-gesteckt! Feuer und Blut! Wir haben unser Debut Hiding Amongst Humans komplett gespielt und einen neuen Song 'Cunt and Cocaine' vom kommenden Album rausgehauen. Die Technik Crew war top professionell und die Leute sind am gesamten Festival hart steil gegangen! Wir waren das gesamte Wochenende am Start und haben auch abseits der Bühne ordentlich Unruhe gestiftet… Jederzeit wieder & Cheers Thom/ArsGoatia
Das Demo Rock Knights von Amethyst wurde von HeAvYmeTaL.ch ausführlich rezensiert (siehe Review von Hannes). Das Quintett spielt Spätsiebziger-/Frühachtziger Metallmusik, wobei du eigentlich stets an die ersten beiden Maiden Alben denkst (als Di'Anno noch das Mikro bediente). Auch ankleidemässig frönen die Musiker den Wiegejahren des Heavy Metal, was man so oder so sehen kann, wahrscheinlich aber mit einem Augenzwinkern. Jedenfalls erleben wir ein durchaus solides Set, bei welchem vor allem das Doppelgitarrenspiel zu begeistern vermag. Wer sich gerne mal an die Wurzeln alles Erheblichen zurückbesinnt, liegt bei Amethyst goldrichtig!
Concrete Winds Stärken liegen weniger im Atemholen, soviel ist klar. Beschauliches Bangen bei gleichzeitigem Bierbecherbalancieren funktioniert am Allerwenigsten. Die Finnen spielen komplexen Death'n'Grind, wobei sie ihre kurz angesetzten Songs in einer Weise darnieder metzeln, dass für Forensiker am Ende nicht mehr viel übrigbleibt. Wozu es eben abgehärmte Profis braucht, die punktgenau-messerscharf-ansatzlos hantieren und sich von Belanglosigkeiten ganz und gar nicht ablenken lassen. Das Duo aus Helsinki lässt hier keine Zweifel offen!
Hexvessel definieren ihren Sound Album für Album neu, entsprechend variant ist ihr Potpourri angelegt. Das aktuelle Album Polar Veil entstand in den Tiefen finnischer Wälder und vermittelt sowohl deren endlose Einsamkeit als auch träumerische Schönheit. Die Produktion kann als nahezu kristallin bezeichnet werden. Dank hochkarätigen Musikern gelingt es auch auf der Bühne, jene Stimmung zu transportieren, wobei mit bedeutend mehr Druck und Fülle hantiert wird, als dies auf Konserve der Fall ist. Stellenweise stark an Candlemass erinnernd, erleben wir ein kohärentes Set.
Auf Enslaved sind wir gespannt. Seit 1991 bereichern die Norweger das BM Genre, wobei ihnen auf keinen Fall vorgeworfen werden kann, sich wieder und wieder zu repetieren. Auf ihrem im März 2024 erschienenen Album Heimdal entwickeln sie den progressiven Ansatz des Vorläufers konsequent weiter, was zu teils grossartigen Momenten führt - plus noch ein paar anderen. Wer jedoch daran zweifeln sollte, dass dies live sich bloss unzureichend umsetzen lässt, sieht sich eines besseren belehrt. Und doch überzeugen Enslaved für mich dort am meisten, wo die BM-Post abgeht, weniger in balladesken oder Yes-esken Einlagen. Dass sie technisch total auf der Höhe sind, beweisen sie heuer jedoch eindrücklich.
D. N. Slaughtercult stellen den irgendwie immerwährenden Kult dar, was nicht zuletzt mit Frontfrau Onielar zusammenhängt, aber auch der Tatsache, dass dem guten alten Okkult BM so langsam die Luft auszugehen scheint. Oder wie auch immer. Die Deutschen jedenfalls spielen ein überzeugendes Set mit allem drum und dran, zu dessen Ende wir Songs aus nahezu der gesamten Schaffensphase gehört haben. So oder so & immer wieder stellen D.N.S. ein einmaliges Erlebnis dar!!!
FAZIT
Hinter uns liegen zwei äusserst kurzweilige Tage, sowohl kulturell als auch gesellschaftlich. Das Konzept stilistischen Mäandrierens wird sowohl von Musikerinnen, Musikern und Publikum extremhonoriert sowie wertgeschätzt. Einen Riesendank explizit an Fabian und Okoi, dass sie diesbezüglich hartnäckig Chuzpe beweisen plus einmal mehr es hinkriegten, ein äusserst spannendes Programm auf die Beine zu stellen.
Zu monieren ist meines Ermessens einzig der Hallensound, welcher nicht über alle Zweifel erhaben war. Dass es auch im sperrigen Dynamosaal besser geht, können die meisten unter uns bezeugen. Sowohl Acts, die auf Feinheiten im Mix angewiesen sind als auch gitarrenlastige Kulturvermittler/innen kamen im Mix tendenziell schwammig und undifferenziert rüber. Nichts, dass sich nicht verbessern liesse!
(Text: C. Sturzenegger, veröffentlicht am 29.05.2024)
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