GRABUNGSBERICHT MMXXV.II

Heuer auf dem Seziertisch:

* LES LITANIES DES TÉNÉBRES / Incipit Obscur
* ARKHAAIK / Uihtis
* BURNING WITCHES / Inquisition
* ZATOKREV / ...Bring Mirrors To The Surface
* VÍGLJÓS / Tome II : Ignis Sacer
* ABRAHAM / Idsungswüssä
* CORONER / Dissonant Theory


LES LITANIES DES TÉNÉBRES / Incipit Obscur (The Chalice Productions, 20. Juni 2025)
von P. Weber

Ob es sich hier wirklich um Schweizer Black Metal handelt, sei mal dahingestellt – eigentlich aber auch scheissegal. Hinter Les Litanies des Ténébres steckt der Brasilianer Vekum, der offenbar irgendwo in den Tiefen des waadtländischen Hochjuras haust. Und genau diese karge, nebelverhangene Gegend scheint sich auch in seinem ersten Output widerzuspiegeln. Als alleiniger Akteur hat Vekum alles selbst eingespielt und gleich zwei Musikvideos zu den Songs veröffentlicht - zeugt von Ambition. Musikalisch passt Incipit Obscur perfekt in die grauen Herbsttage: düster, dicht und mit einer Spur Erhabenheit. Aggressive Vocals, die stellenweise an Blaze of Perdition erinnern, treffen auf verspielte Gitarren und ein tightes, punktgenaues Drumming. Für Black Metal keineswegs stumpf – hier stehen Emotion und Atmosphäre klar im Vordergrund. Fein eingestreute Chöre fügen sich stimmig ins Gesamtbild ein, wirken nie aufgesetzt, sondern verstärken den Sog. Am besten wirkt das Ganze mit Kopfhörern, irgendwo draussen im Nebel, Umwelt ausgeblendet. Nach knapp zehn Minuten ist’s leider schon vorbei - etwas gar kurz, wenn man bedenkt, wie viel Potenzial hier drinsteckt. Incipit Obscur ein starker Vorgeschmack auf mehr. 

Fazit: Ein atmosphärischer Teaser, der zeigt, dass hier jemand mit klarer Vision und Gespür für vertonte Dunkelheit am Werk ist.


[Wertung: 3.5/5.0]


ARKHAAIK / Uihtis (Eisenwald, 25. Juli 2025)
von C. Sturzenegger

Anno 2019 machte ARKHAAIK mit *dʰg̑ʰm̥tós auf sich aufmerksam, einem atmosphärischen Album, welches Kraft aus einem fernen Zeitalter der Menschheitsgeschichte schöpft. Sieben Jahre danach liegt mit Uihtis das Nachfolgewerk vor. Ob es gelingt, der Thematik weitere Aspekte abzugewinnen, versuchen wir herauszuhören.

Karapan Darwish, Fauth Temenkeel und Voidgaunt gehören zu den Jüngern Tumilon, was früher H.U.C. (Helvetic Underground Committee) gewesen war. Tumilon gleich taumelnd und da hast du es. Ein Konglomerat von Künstlern, die in wechselnden Besetzungen sich im jeweils Konzeptuellen zu finden pflegen. Ihre Musik darf als Ausdruck verstanden werden, keinesfalls als Selbstzweck. 

Indem sie kopfüber in die Bronzezeit eintauchen, bilden ARKHAAIK hier keine Ausnahme. Wobei bis hin zu Songtexten (welche in echt hypothetischem Proto-Indogermanisch verfasst wurden) keinerlei Mühen gescheut werden. Stellte ihr Erstling noch eine schwerwiegend rituelle Annäherung an die Thematik dar, setzt Uihtis sich konkret mit der Jagd auseinander.

Akustisch werden wir mit einem langanhaltenden Hornklang in Geschehen hinein geholt. Zu dumpfen Trommelschlägen traben wir alsbald durch dichtes Unterholz, wobei unseren Kehlen womöglich gutturale Laute entgleiten. Musik spielt in schleppend doomigem Mood, während raue Stimmen jener fremde Sprache intonieren. 

Gitarrenriffs und Melodien gestalten sich denkbar einfach, was dem Ganzen ungestüme Kraft verleiht, derweil stetig ändernde Rhythmen die Spannung hochhalten. Von verzweifelt bis freudig durchlaufen wir gesamtes Stimmungsspektrum, bis letztlich Jagdglück uns ereilt.

Fazit?

ARKHAAIK gelingt es auf Uihtis, Hörerschaft in Bann zu ziehen, mitzunehmen, erlaubt ihr einzutauchen, mitzufiebern, um endlich am noch warmen Blut der Beute sich zu erlaben. Die drei Musiker gestalten eine urtümlich powervolle Stimmung, die über weite Strecken erhalten bleibt. Erst während der zweiten Albumhälfte schlägt Überlänge der Tracks in einer Weise zu Buche, dass du etwas aus dem Sog gerätst, welcher bis dahin durchs Album trug. Quasi zurück in die Zukunft. 

Ein starkes Stück archaischer Musik, welches du dir auf einem einsamen Waldspaziergang in die Gehörgänge pfefferst. 


[Wertung: 3.5/5.0]


BURNING WITCHES / Inquisition (Napalm Records, 22. August 2025)
von C. Sturzenegger

Die Hexen aus dem Aargau brennen seit über zehn Jahren lichterloh. Mit Inquisition legen sie ihr bislang sechstes Album vor. 

BURNING WITCHES stehen für eine Sorte Metal, die gefallen kann & darf. Idole sind in den Achtzigern zu suchen, dort wo schliesslich (fast) alles begann. Inquisition zeichnet sich durch griffige Hooklines aus, Refrains, die in vielerlei Geisteszuständen noch locker zu intonieren sind plus supernice Doppelgitarrenparts à la Du weisst schon wer. Dazu Guldemonds Vokaldarbietung, die vor allem in Bereichen überzeugt, wo Rockröhre gefragt ist. Der satte, direkte Mix bringt die Spiellust der Aargauerinnen voll zur Geltung.

Inquisition stellt ein handwerklich solides Machwerk dar, dem geradeheraus anzuhören ist, dass das Brugger Quintett mit abgeklärter Routine am Werk ist. Du blastest es dir auf einer Autofahrt wie Gegenwind mitten ins Gesicht, stülpst es ÖV-mässig über deine zarten Ohren oder aber schenkst das Tonwerk deinem Poser Freund zur feierlichen Trennung. Oder umgekehrt. Das Album funktioniert als Soundtrack deines Lebens, erzeugt aus sich heraus jedoch wenig Kraft, eigene Bilder zu gestalten. Wofür es dann doch zu konventionell gehalten ist, an allzu bekannte Muster angelehnt, wiewohl der echte Ear-Catcher sich vermissen lässt (obwohl Souleater verdammt nah dran ist).

Fazit?

BURNING WITCHES bleiben bewährter Formel treu und beliefern Hörerschaft mit handfesten Nackenbrechern. Inquisition verspricht all jenen Erfüllung, die straighten, rockigen Power Metal als Tankfüllung nutzen, um durch den Tag zu kommen. Zu monieren ist, dass kaum Blicke über den Futtertrog hinaus unternehmen werden. Dadurch, dass die Aargauerinnen sich durchgehend bewährter Muster bedienen, verbleibt ihre Musik (bei aller Qualität) mehrheitlich in Plattitüden verfangen. 


[Wertung: 2.5/5.0]


ZATOKREV / ...Bring Mirrors To The Surface (Pelagic Records, 29. August 2025)
von C. Renner

Bereits zehn Jahre sind seit Zatokrevs letztem Longplayer "Silk Spiders Underwater…" vergangen - und direkt vorweg: Das Warten hat sich gelohnt!

"…Bring Mirrors To The Surface" reiht sich irgendwo zwischen Post-Metal, Sludge, Doom und Black Metal ein – also genau dort, wo man es von ZATOKREV erwartet.

Was das Album so besonders macht, ist seine Balance zwischen brachialer Wucht und emotionaler Tiefe. Die Songs fordern Zeit und Aufmerksamkeit - manche Passagen wirken fast meditativ, andere zermalmen einen förmlich. Doch gerade dieses Spannungsverhältnis macht das Album so faszinierend. Zatokrev wirken dabei immer authentisch und nie erzwungen.

Klanglich ist das Werk beeindruckend dicht produziert: schwere Gitarrenwände, dröhnender Bass, wuchtige Drums und Vocals, die zwischen Growls, Schreien und gequältem Gesang pendeln. Zahlreiche Gastauftritte - etwa von Mitgliedern von Schammasch, Bölzer oder Zeal & Ardor - bilden dabei eine kreativen Allianz, die sich nicht vor Genregrenzen scheut.

"...Bring Mirrors To The Surface" ist kein leicht verdauliches Album, sondern ein forderndes, aber lohnendes Erlebnis. Es verlangt Hingabe, belohnt einen jedoch bei jedem Durchgang aufs Neue.


[Wertung: 4.0/5.0]


VÍGLJÓS / Tome II : Ignis Sacer (Les Acteurs de l'Ombre Productions, 19. September 2025)
von P. Weber

Honig für die Ohren! - na gut, lassen wir die Wortspiele. Die Bienenwächter sind zurück mit ihrem zweiten Langspieler, aufgenommen im Studio von Marc Obrist (Zeal & Ardor). Im Zentrum dieses Konzeptwerks steht das Antoniusfeuer, auch bekannt als Mutterkornvergiftung - eine der gefürchtetsten Krankheiten des Mittelalters, die ganze Weltteile in Wahnsinn und Leid stürzte. Bis zum letzten, vergifteten Müesli 1985 - heute glücklicherweise kein Thema mehr, aber ein düsteres Kapitel der Geschichte, das hier als thematischer Nährboden dient. Nach dem kurzen Synth-Intro «Sowing» stellt man fest: Hier ist alles etwas glatter produziert als noch beim Debüt, das damals noch richtig schön Lo-Fi und rumpelig daherkam. Trotzdem bleibt der oldschoolige Charme erhalten – dreckig genug, um authentisch zu wirken, aber klar genug, um Details wirken zu lassen. Feiner Grat, perfekt erwischt. Etwas Punk-Attitüde schwingt ebenfalls mit - eine liebevolle Hommage an die zweite Weller der 90er, ohne in der Nostalgie stecken zu bleiben. Hier und da schimmern Mellotron-Flächen durch, Tremolo-Gitarren und die Rhytmusfraktion treiben nach vorne. Das Schlagzeug omnipräsent. Gesang von Luca, der zwischen Heulen, Bellen, Schmerz und Wahnsinn pendelt. Sicher nicht jedermanns Sache, aber höchst passend zum düsteren Gesamtkonzept. Das Album wirkt durchdacht, ohne überambitioniert zu klingen - jeder Song scheint seinen Platz zu haben, nichts wirkt unnötig oder zu lang. Es gibt keine Durchhänger, dafür jede Menge packende Riffs, Black’n’Roll-Groove und kleine, clevere Details, die man erst nach mehreren Hördurchgängen entdeckt. Und das Beste: Die Songs bleiben hängen. 

Fazit: Vígljós liefern ein bemerkenswertes Werk ab. Rau, kantig und undergroundig, aber gleichzeitig erstaunlich charakteristisch und eigenständig. Ein Anfall von Kreativität, wie man ihn schon länger nicht mehr gehört hat. Eine Scheibe, die auffallen will - und es auch tut.


[Wertung: 4.0/5.0]


ABRAHAM / Idsungswüssä (Pelagic Records, 26. September 2025)
von C. Sturzenegger


Das Review in voller Länge findest du hier... 


[Wertung: 4.0/5.0]


CORONER / Dissonance Theory (Century Media Records, 17. Oktober 2025)
von C. Sturzenegger


Das Review in voller Länge findest du hier... 


[Wertung: 3.5/5.0]


HeAvYmeTaL.ch hält sich an die bewährte AMG-Skala, welche sich wie folgt transkribiert:

5.0 – Ikonisch
4.5 – Exzellent
4.0 – Hammer
3.5 – Sehr gut
3.0 – Gut
2.5 – Gemisch
2.0 – Bittere Enttäuschung
1.5 – Einfach bloss schlecht
1.0 – Traumatisch
0.5 – Unhörbar

(Produkte mit Wertung 2.0 und drunter schenken wir uns in der Regel. Solch ein Menschendasein hält schliesslich noch andere Brocken bereit...)


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