Bedrängnis - Verlorene Seelen und ihr Zerfall

Die Ostschweizer von Bedrängnis sollten Schwarzmetallern aus der hiesigen Szene mittlerweile wohlbekannt sein. Das Duo spielt gefühlt in jedem heimischen Kellergewölbe und bedrängt uns (HA!) mit Seelenschmerz und Endzeitvisionen des menschlichen Daseins. Nach der LP «Die Bürde die wir tragen» folgt nun der Kurzauftritt mit der «Verlorene Seelen und ihr Zerfall» EP die anlässlich der EU-Tour mit Malphas aufgenommen wurde.

Wer hier klassischen Black Metal im Extremtempobereich à la Endstille oder Marduk erwartet, ist bei Bedrängnis definitiv falsch. Nach dem ersten Hördurchgang findet man sich meistens im höheren Mid-Tempo Bereich wieder. Viele melodiöse Einsprengsel, höchst eingängige Riffs, Tremolos, Gitarren-Soli’s, Tempowechsel. Bedrängnis machen hier extrem viel und vieles richtig. Alles sehr durchdacht und handwerklich auf hohem Niveau. Gesangstechnisch mit Luft nach oben (und unten). Aeshma’s Gekeife dürfte gerne der Hoffnungslosigkeit noch etwas angepasster sein. Die Thematiken fordern geradewegs mal beklemmend ruhiges, mal aufbrechendes Geschrei. Emotionen kommen da leider in gewissen Teilen ein wenig zu kurz.

Easy-Listening trotz Melancholie?

Die EP wirkt sehr förmig. Die schlängelnden Melodielinien und häufigen Tempowechsel lassen die Grenzen zwischen den einzelnen Songs verschwimmen. Daher macht es auch wenig Sinn auf einzelne Tracks einzugehen, vielleicht mit Ausnahme von «Fährnis». Ein sehr schönes Beispiel wie man es schafft, einen fast 8-Minuten Brocken von vorne bis hinten atmosphärisch wie abwechslungsreich zu gestalten, ohne irgendwelche Langeweile aufkommen zu lassen. Nur ganz wenige Bands aus dieser Richtung schaffen das auch tatsächlich. Farsot könnte man in diesem Zug nennen, welche sich in ähnlich misanthropischen, lebensfeindlichen Gefilden bewegen.

Generell kann die eine dichte Atmosphäre zwischen Bedrohlichkeit und Hoffnungslosigkeit über die gesamte Spieldauer aufrechterhalten werden. Die Gefahr, hie und da etwas in kitschige Sphären zu fallen besteht (fast) nicht. Ein Sammelsurium von verschiedenen negativen Stimmungen, geeint in teilweise aufwühlende, abwechslungsreiche Kompositionen. Der schwarze Pinsel dürfte dann halt aber doch hie und da etwas mehr zum Einsatz kommen. Beispiel dafür «Morgen 13» mit Einschüben fröhlich anmutender Riffs, teils fast schon Schunkelatmosphäre erzeugend.



Die Produktion ist ziemlich glatt. Jedoch nicht langweilig «Glatt». Das Ganze erinnert an eine auf modern machende Band aus Ablaze Heftchen-Beilage-CD’s der frühen 2000er-Jahren. Was dem Sound und der Atmosphäre gutsteht. Jedenfalls machen Bedrängnis einen grossen Schritt nach vorne. Beim Vorgänger bestand noch das Gefühl, mehr neben als mitten im Tonwerk zu stehen.

Fazit

…und trotzdem! Um aus der grossen Masse rauszustechen braucht’s wohl noch ein wenig mehr Eigenständigkeit und Wiedererkennungswert. Alles sehr gut gemacht und Live mit Sicherheit eine Wucht - auf Platte besteht Abnutzungsgefahr. Etwas mehr Mut zum Ausbruch aus gewohnten Mustern oder auch kleine, artfremde Einschübe würden dem Ganzen guttun. Etwas weniger Geradlinigkeit und Vorhersehbarkeit. Falls das nicht die Intention der 2 sein sollte - Auch gut. Mit der Masse an «postigem» BM, welcher in letzter Zeit aus jeder Richtung schallt sind die Sinne wohl auch etwas anders gerichtet. Was da auch immer noch kommen mag, ich bin gespannt! Die Richtung stimmt jedenfalls.

Was an dieser Stelle noch besonders zu erwähnen ist: Lasst euch den Live-Auftritt der Thurgauer nicht entgehen! Gelegenheiten dazu gab wie oben erwähnt genug. Hoffentlich bleibt das auch so. Sei es auf Festivals (Meh Suff! 2023) oder im Club. Enttäuscht wurden wir bisher definitiv NICHT!

Verlorene Seelen und ihr Zerfall gibt’s als CD und Digital zusammen mit einem Haufen weiterem Merch HIER auf Bandcamp.

(Text: P. Weber, veröffentlicht am 18.04.2024)


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Fotos

Vorax

Bedrängnis

Heathen Heretic

Sons Of Coherence