Proberaumbesuch bei Vorax
Nun ja. Mit Berichten verhält es sich genauso wie zum Beispiel Protokollen, am besten tippst du sie gleich anderntags in die Tastatur. Ist jedoch ein Proberaumbesuch bei Vorax zu verinnerlichen, gelten so oder so andere Gesetze. Erstens weil das Objektive flugs ins Subjektive gerät, zweitens Verinnerlichung (sprich: Resorption) bereits am Tatort geschieht. In der Folge eine Frage der Enzyme.
Herlauf
Vorax steht für Zürcher Death Metal und vereint Musiker, die du fast alle irgendwie oder -woher kennst.
Ben zum Beispiel zeigt sich für die literarische Seite von Omophagia verantwortlich, Simon zupft Saiten bei Rage of Light und Patrick bereichert die Kultband Messiah seit den Neunzigern um filigranes Bassspiel. Drummer Flavio hingegen musst du sowieso ganz einfach gehört haben, wohingegen Ben (ja, es gibt zwei davon) eigentlich überall anzutreffen ist, meist jedoch in der Nähe eines Zapfhahns.
Dass er in einer Band spiele, erwähnt er irgendwann, Todesmetall und alles, worauf ich wahrscheinlich mit den Schultern zucke. Dann aber erzählt er vom Keller, zeigt Fotos davon und gibt die Geschichte eines Analogmonsters namens Studer zum Besten. Folglich machen wir ab, mal abzumachen, was nach der einen oder anderen Wiederholung Früchte trägt. Meh Suff sei Dank!
Sub-Oerlikon
Am 22. September 2023 dann ist es so weit, irgendwo drei Etagen sub-Züri-Oerlikon werde ich durch ein Labyrinth von Gängen geführt. Vorbei an massiven Luftschutztüren, über Betonschwellen hoch wie Treppenstufen hin zum Bandraum, der jedoch einen äusserst gepflegten Eindruck macht. Frisch verlegtes Parkett. Plastikpflanzen. Der immense Geruch nach neu. Denk IKEA plus Verstärker, Boxen und Kabelgewirr. Immerhin thront auf einem Regal der Skelettschädel eines Raptoren, der drauf und dran scheint, sich über Bündel getrockneter Herbarien herzumachen. Vorax steht schliesslich für gefrässig (oder aber gierig).
Aufgelockert durch ein musikalisches Set bereitet sich ein inhaltlich vielschichtiger Abend, wobei einzelnen Themen ungleich grosse Massen zukommen.
Folgend ein explizit exemplarisch zu verstehender Auszug Voraxscher Gravität unter Auslassung spezifischer Themenfelder.
Erstens: Das Historische
Wie das Leben so kokettiert, führt eines zum andern, dazu noch voll aus der Pandemie heraus. Erstens die Idee einer Band. Zweitens das Recruiting. Drittens gemeinsames Workout im Unterunteruntergeschoss eines unauffälligen Hauses in Züri-Oerlikon. Viertens Rock’n’Roll mit Todes-Touch. Zwischendrin noch das Dino-Konzept, wofür man sich entscheidet, weil im Grunde niemand so recht Begeisterung dafür zeigt(e).
Spätestens aber seit der EP Jurassic Dawn (2022) liegen schwerwiegende Argumente auf dem Tisch, dass ins Jurassische zurückreichender Neunzigerjahre-Todesmetall der Weltgemeinschaft ebengerade noch gefehlt hat. Fressen oder gefressen werden, so einfach ist das.
Die vier Stücke zeichnen sich aus durch geile Riffs, treibende Drums, einen verspielten Bass plus jene optimal tarierte Gesangsstimme, welcher das Prähistorische gewissermassen innewohnt. Vor allem aber knallt hochprozentig Spass aus den Lautsprechern, wovon manchen Genrekolleginnen und -kollegen es zuweilen mehr als zu mangeln scheint.
Zweitens: Studer statt Porsche, DIY und weitere Neurotizismen…
Zu nennen jenes Monstrum von Analogmischpult, welches eigenhändig zerlegt und wieder zusammengesetzt wurde. Ergänzt um eine Bandmaschine, womit adäquate Konservierung von Audiosignalen möglich wird. Zudem ein Haufen Mikros, Mikrophönchen und Mikrophone, mit denen mindestens der Mittelaltertrakt im Landesmuseum locker zu füllen wäre. Zum Zeitpunkt meines Besuchs ist zudem die (Her-) Anschaffung einer Bandmaschine geplant, welche Konservierung noch adäquater erledigt.
«90er Sound mit Material aus den 90er Jahren mit Mikrofonen aus den 90er Jahren mit Mischpult aus den 90er Jahren mit fucking Bandmaschine aus den 90er Jahren und ich will auch, dass es klingt wie aus den 90er Jahren»,
bringt Ben es auf den Punkt. Sowieso wird DIY-MENTALITÄT gross geschrieben, was das Programmieren eigener VSTs miteinschliesst, denn auch die wurden ja schliesslich in den Neunzigern entwickelt. Und basta.
«Buebeträum»,
heisst es das eine oder andere Mal,
«sind nie ganz ausgeträumt».
Drittens: Bromance und sonst so Fazit
Unter Bromance fassen wir mal die Gesamtheit Voraxscher Gravität zusammen. So als These. Vordergründig: Todeslärm erzeugendes Männerprojekt. Hintergründig: Mannhaft verflochtene Interessengemeinschaft.
«Wir würden auch ohne Musizieren zusammen abhängen und tränken [zum Beispiel] Bier»,
wird veräussert. Was gewiss zu kurz greift. Denn Vorax lebt von der immer neuen Mission und da hast du es. Atom-Bunker Atomkriegs-untauglich zu machen zum Beispiel, worauf du ein-zwei Leben verplanen kannst. Was jedoch zählt, ist die f****** Mission!
Schlusswort gefällig?
«Eine Band muss zuverlässig sein, man muss sich verstehen, dann müssen sie sich noch verstehen…»
(Wer auch immer das gesagt hat…)
Meinerseits bedanke ich mich in aller Herzlichkeit für die Gastfreundschaft, den stets vollen Becher und erleuchtende Einblicke in den Bandalltag. Es war jede Minute Samstagskater wert!!!
(Text: C. Sturzenegger, veröffentlicht am 16.10.2023)
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