Im Gespräch mit Tar Pond am Hellfest 2025

Sonntagmittag, letzter Festivaltag am Hellfest. Nach drei Tagen mit gnadenlosen Temperaturen nur knapp unter 40 Grad wirkt das Festivalgelände bei inzwischen "nur" noch 28 Grad richtig angenehm. Während sich also langsam der Staub über Clisson legt und der Festivalmarathon seinem Ende zuneigt, treffen wir im schattigen Pressebereich die Zürcher «Doom’n’Gloom»-Jungs von Tar Pond, die das Festival drei Tage zuvor auf der «Valley-Stage» eröffneten. In entspannter Runde erzählen die Gitarristen Daniele und Stefano sowie Bassist Chris unter anderem, warum ein Heimspiel für sie nervenaufreibender ist als ein Slot auf einer der grössten Doom-Bühnen Europas.
HeAvYmeTaL.ch: Für all diejenigen, die euch noch nicht kennen – Wenn ihr unseren Leser:innen nur einen einzigen Song zeigen dürftet, der Tar Pond am besten verkörpert – welcher wäre das und warum?
Daniele: Ich würde sagen, «Damn» oder «Blind».
Chris: Für mich wäre es definitiv «Damn».
Stefano: Schwierig zu beantworten. Ich würde einen Song wählen, der alle unsere Stile vereint. Einen, der ein bisschen von allem hat und da wäre ich auch bei «Damn». Ich spiele den Song auch oft Leuten vor, die nicht viel Musik hören – und der kommt eigentlich immer gut an.
Ihr bringt alle sehr unterschiedliche, künstlerisch und musikalische Backgrounds mit in die Band. Wie findet ihr eine gemeinsame Stimme?
Daniele: [wirft ein] «A secret sauce!»
Nein, natürlich nicht. Es ist ein langer Prozess. Die geheime Zutat ist schlicht, dass wir sehr viel Zeit und Arbeit in jeden Song stecken.
Chris: Was ich beim Songwriting besonders schätze: Es gibt bei uns keinen Diktator, wie in anderen Bands, wo etwa der Gitarrist alles vorgibt. Bei uns bringt Daniele vielleicht ein Riff mit, aber wenn dann einer von uns meint, das passt nicht, dann wird der Song in der Regel nicht weiterverfolgt. Es zählt, dass wir uns alle damit wohlfühlen – das führt zu einem homogenem Sound, aber es dauert dadurch auch deutlich länger. Gerade neulich hatten wir z. B. einen fast fertigen Song, und Marky (Drumer, Anm. d. Red.) war nicht ganz überzeugt – also haben wir ihn erst mal wieder zur Seite gelegt.
Stefano: Ich denke, es liegt auch daran, dass auf den ersten beiden Alben noch Alain, unser früherer Gitarrist, beteiligt war. Viele Ideen kamen damals von ihm. Heute ist das anders: Zum Beispiel stammt das Riff von «Blind» von mir, und Daniele und ich haben den Song gemeinsam entwickelt. Man hört einfach, dass heute andere Leute involviert sind. Alain war vorher schon so unser Haupt-Songwriter.
Daniele: Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass das Feedback war, das zweite Album klinge noch immer ähnlich wie das erste. Ich finde, wir haben uns ziemlich weiterentwickelt – gerade Songs wie «Blind», «Dirt»oder «Something» zeigen das deutlich.
Stefano: Und ich glaube, das wird man auf dem nächsten Album noch stärker hören!
Wie wichtig ist euch das Visuelle – von Albumcover bis Live-Auftritt? Gerade bei Album/Merch-Gestaltung gibt Sänger Thomas Ott (Comic-Künstler, Anm. d. Red.) ja vermutlich den Takt vor?
Stefano: Die Albumcover stammen übrigens nicht von Thomas. Am Anfang haben wir natürlich gesagt: «Ott, das musst du machen!» – aber er war sofort dagegen. Er wollte lieber andere Dinge übernehmen – etwa das Design für den Merch – aber nicht das Cover. Er meinte, dann stünde überall nur noch sein Name drauf, und es gäbe ja auch noch viele andere tolle Künstler.
Unser Drummer Marky ist seit Jahren in der Kunstwelt aktiv und hat da so seine Connections. Das Cover vom ersten Album stammt von relativ bekannte Künstler namens Steven Shearer. Das Cover vom zweiten Album haben wir zufällig online entdeckt und den Künstler (Justin Mortimer) gefragt, ob wir es nutzen dürfgen – er war sofort einverstanden.
Das Visuelle ist uns schon wichtig – aber im Bezug auf die Bühne ist mir persönlich das eher egal.
Daniele: Aber da scheiden sich die Geister :-)
Stefano: Aber z.B. wie wir auf der Bühne angezogen sind spielt finde ich keine Rolle – ich finde das sogar eher langweilig, wenn alle schwarz tragen. Aber klar, es gibt Bands, bei denen ein optisch aufwändiges Auftreten zur Show gehört und dann auch passt.
Chris: Für Marky ist das Visuelle hingegen sehr wichtig – aber eher in Bezug auf Licht, Nebel, Atmosphäre. In unserem Proberaum hatten wir früher sogar eine Nebelmaschine, die lief auch bei den Proben mit passender Lichtstimmung.
Stefano: Das stimmt. Es hilft auch extrem, in die richtige Stimmung zu kommen.
Ihr seit ja alle aus Zürich und ich musste etwas schmunzeln, als Thomas auf der Bühne vom Hellfest auch noch kurz sein Züüri-Düütsch auspackte. Und ich komme auch darum auf Zürich zu sprechen, weil immer mehr Institutionen, wie z. B. aktuell das Mascotte, aus Zürich verschwinden. Gibts noch genügend Nischen für laute, unangepasste Bands wie euch?
Stefano: Ich hatte nie das Gefühl, dass es in Zürich so etwas wie eine richtige Szene gibt. Es ist alles eher verstreut. Aber natürlich, man kennt sich halt. Doch es gibt nicht diesen einen Ort, wo alle hingehen, wie in anderen Städten. Und Zürich ist nach wie vor sehr techno-lastig.
Was Auftritte betrifft: Da haben wir es eigentlich leicht. Es gibt ja schon noch einige Orte, an denen man spielen kann – wir sind gut vernetzt. Über die Gastro-Szene kennen wir viele Leute, zum Beispiel vom Mascotte. Patrick Grau macht unseren Sound, wenn unser Mischer Sebastian nicht kann. Wir hatten auch gute Kontakte zu Leuten vom Roland oder zur Zuki – wobei die ja mittlerweile auch verschwunden ist.
Aber ehrlich gesagt: Wir spielen bewusst nur ein bis zwei Konzerte im Jahr in Zürich. Wenn du ständig in deiner Heimatstadt auftrittst, kennt dich irgendwann jeder – und wer dich dann noch nicht kennt, ist wohl selbst schuld.
Wenn man über Tar Pond – sowie auch die Zürcher Musikszene allgemein – spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Martin Eric Ain. Musikalisch prägte sein schaffen ganze Genres und abseits des Musik-machens natürlich auch enorm das Zürcher Nachtleben. Und auch am Donnerstag habt ihr ihm auf der Bühne wieder einen Song gewidmet. Er ist bei euch schon noch sehr präsent, richtig?
Daniele: Martin war für uns immer präsent. Wir gingen schon in sehr jungen Jahren regelmässig ans «Karaoke From Hell» und er wurde mit der Zeit wie eine Vaterfigur für die ganze Truppe. Für mich ist er auch heute noch präsent. Ich war es gewohnt, ihn jeden Dienstag auf der Bühne zu sehen – als Stand-up-Comedian! So erinnern wir uns alle an ihn.
Musikalisch hat mich seine Arbeit natürlich auch geprägt – nicht nur wegen Celtic Frost – aber letztendlich vor allem, weil ich durch ihn so früh die Möglichkeit bekam, mich auf der Bühne auszuleben und dort Leute anzuschreien. Das hat mich als Musiker wohl am meisten geprägt.
Stefano: Auch beim Songwriting für Tar Pond denke ich heute noch oft an ihn. Schon beim ersten Album war er extrem wichtig – sein Wissen über Musik war beeindruckend. Er wusste einfach, was funktioniert, wie man einen Song richtig arrangiert, was gut klingt. Da versuche ich ab und zu schon, mich in ihn hineinzuversetzen, was er jetzt wohl davon halten würde.
Und wie Daniele schon sagte – er war für unsere ganze Clique eine zentrale Figur, die immer für uns da war.
Martin war sich grosse Bühnen gewohnt. Bühnen wie die Valley-Stage vom Hellfest – eine Bühne mit Kultstatus für alles im Bereich Doom, Stoner, Sludge . Wie hat es sich angefühlt, genau dort den ersten Ton setzen zu dürfen?
Stefano: «Pretty much the same!»
Ich bin generell niemand, der viel mit dem Publikum interagiert. Ich schaue vielleicht ein-, zweimal pro Show ins Publikum, um zu sehen, ob die Leute mitgehen oder am Handy hängen. Aber ich war bei diesem Auftritt nicht nervöser als sonst.
Also ob jetzt hier am Hellfest vor tausenden von Leuten die du nicht kennst oder im heimeligen Güterschuppen in Zürich, kein Unrerschied?
Stefano: Doch, der Güterschuppen war viel schlimmer! [von allen beipflichtendes Gelächter]
Chris: Da kennst du einfach alle. Es ist wie an Weihnachten, wenn du was auf der Flöte vorspielen musst. Ich war richtig nervös – gerade, weil ich damals neu in der Band war. Man fühlt sich unglaublich beobachtet.
Hier am Hellfest war das anders – niemand kennt dich. Die grösste Nervosität kam eher vorher, wegen der ganzen Organisation, ellenlange E-Mails, Anreise. Aber sobald wir hier waren, war alles entspannt. Wir wurden super aufgenommen – und dann stehst du plötzlich auf der Bühne und geniesst es einfach. Es war grossartig!
Stefano: Dem stimme ich voll zu. Und das war definitiv die grösste Bühne, auf der ich je gespielt habe.
Ihr seit ja nun schon seit Donnerstag hier und konntet somit alle 4 Festival-Tage miterleben. Welche musikalischen Highlights hatte das Festival für euch zu bieten oder worauf freut ihr euch noch besonders?
Daniele & Stefano: SUNN O))) war total krass!
Chris: Turbonegro waren klasse. Und Muse hat mich echt überrascht.
Daniele: Und gestern – Russian Circles!
Chris: Der Sound auf der Valley Stage war sowieso der Hammer. Selbst Pentagram – die hab ich jetzt schon so oft gesehen, aber jetzt hier auf der Valley Stage, das klang richtig geil.
Jetzt noch zur offensichtlichsten Frage: Petrol liegt inzwischen 2 Jahre zurück. Wann ist mit neuem Material von euch zu rechnen?
Stefano: Ja, Petrol liegt zwar erst zwei Jahre zurück, aber die Aufnahmen stammen ja bereits aus 2021. Und ja – wir arbeiten an neuem Material! Es gibt viele angefangene Material, aber wir sind einfach langsam. Dann steht plötzlich wieder ein Gig an, wir müssen proben, und alles verschiebt sich. Jetzt hätten wir mal zwei Monate Pause, aber natürlich fährt jetzt gleich jeder in den Urlaub. Trotzdem: Langsam müssen wir echt Gas geben. Es stehen dieses Jahr aber auch noch rund zehn Konzerte an.
Chris: Unser Ziel ist es auf jeden Fall, bald etwas Neues rauszubringen. Auch Marky, mit seiner Erfahrung, meint, es wäre Zeit, einen Studiotermin zu buchen. Das schafft dann auch einen gewissen Druck.
Stefano: Genau – nächstes Jahr ins Studio wäre richtig gut. Mal sehen, ob wir das hinbekommen.
Da dürfen wir ja gespannt sein! Vielen Dank euch allen für das spannende Gespräch und eure Zeit! Geniesst den letzten Festival-Tag!
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