Czar Fest 2023

Für’s Czar Fest reist du mitten hinein in die Basler Herbstmesse: Ein fein geschnittener Kontrast zu jenen düsteren Klängen, die am Rande des Rummels sich abspielen.

Auf dem Konzertplakat stehen vier Namen, jeder für sich den Trip nach Basel wert. Was sie jedoch verbindet, ist weniger musikalisch zu begründen als in der kollektiven Weigerung, sich auch nur einem Hauch von Fröhlichkeit hinzugeben. 

Wie sowas sich anfühlen mag, sei folgend wiedergegeben.
 


TAR POND

Im September feierten Tar Pond im beschaulichen Güterschuppen in Wollishofen ihren Zweitling Petrol, heuer stehen sie auf der ‚grossen‘ Bühne der Kaserne Basel. Ob Intimität nicht darunter leide, fragtest du im Vorfeld, doch denkste! Denn den Zürchern gelingt es auch aus der Ferne Nähe zu schaffen. 

Was erstens damit zu tun hat, dass fünf versierte Instrumentalisten nahezu konspirativ an einem eindringlichen Soundgeflecht weben, was schwer, fast klebrig wie Teer sich über die Bretter legt. Zweitens Frontmann Ott Tristesse eben nicht bloss besingt, sondern ebenso verkörpert, sowohl in Augenblicken, wo einsam er mit dem Mikro zu verschmelzen scheint, wie zusammengekauert im Halbschatten der Bühne. 

Tar Ponds Authentizität entsteht (und lebt) im korrespondierenden Zusammenspiel der Musiker, die gegenseitig sich Raum schaffen - und selbst nicht zu wichtig nehmen.

Kurzum:Ein mehr als gelungener Auftritt einer bemerkenswerten Band!



LOAD

Load spielen hochglanzpolierten Electropop, wo R-E-T-R-O in Kapitallettern darüber gepinselt steht. Retro-80, um genau zu sein, weshalb die Aufzählung diverser Quasi-Idole sich guten Gewissens erübrigt. 

Den Baslern gelingt es, sowohl den Groove jener Zeit authentisch aufzunehmen, als diesen aufgefrischt ins einundzwanzigste Jahrhundert hineinzutransferieren. Heisst mit mächtig Druck zu versehen plus erwähntem Schliff. Insbesondere Synthesizer Klänge kommen wunderschön ausgestaltet (ziseliert) daher und heben sich von ARP, Juno 8, Jupiter et cetera wohltuend ab. Womit es gelingt, den Kaufhausstaub jener (nicht genannten) Vorbildern abzuschütteln und durch und durch zeitgemäss zu klingen.

Load wirken auf mich bedeutend gereifter als letztjährig noch am Eros at Arms, wobei dort vielleicht das ganze Rundherum nicht so ganz hatte passen wollen.



FVNERALS

Was für einjede Band des Abends gilt, stimmt für Fvnerals explizit: Sie passen perfekt in die kalt-neblig-nasse Jahreszeit hinein. 

Mit ihrer düster ambienten Musik gestalten Tiffany Ström und Syd Scarlet die Stimmungen eines Abschieds, was nahezu pastoral daherkommt. Live vorgetragen wirken sie noch um einiges dynamischer als auf Konserve, womit jenes Fragezeichen, ob Atmosphäre insbesondere des aktuellen Albums Let the Earth Be Silent sich überhaupt auf die Bühne hieven lasse, schnellstens verblasst. Denn auch vor Publikum kommt den beiden das Gespür für (mitunter aus schierer Monotonie sich erhebende) Spannungsbögen keinesfalls abhanden.

Fvnerals packen ab der ersten Note und ziehen dich hinein in ihre dicht-düstere Klangwelt, als sei es deine eigene.



DARKSPACE

Darkspace tragen den Black Metal in die Kälte des Alls hinaus, wo er auf das Wesentliche heruntergebrochen wird und (gewissermassen) zur Bedeutungslosigkeit verweht. Ihre Musik vermittelt das Totalverlorene im Antlitz endloser Weiten, wo grosse Massen Licht einfach so wegschlucken. Dass anstelle eines menschlichen Drummers programmierte Drums zum Einsatz kommen, verleiht dem Ganzen noch das zusätzlich Klinische, wobei du gleich an jene Kinoklassiker denkst.

Live bieten Wroth, Zhaaral und YHS satte Kost und setzen um, was studiomässig im Laufe der Jahre so erarbeitet worden war. Auch wenn seit dem letzten Longplayer fast schon zehn Jahre vergangen sind, hat das Material gerade gar nichts an Aktualität eingebüsst. Ob dies a) für die Kunst an sich spricht oder aber b) den Zeitgeist in Frage stellt, darf ein andermal überlegt werden. Fast schon an Kraftwerk jedenfalls mag es erinnern, wie die drei Musiker sich quasi antizelebrieren, wobei die Musik in den Vordergrund gerät, wo sie eben auch hingehört.

Ein beeindruckend wuchtiges Konzert!



FAZIT?

Die Organisatoren haben hier volle Arbeit geleistet und ein Lineup auf die Beine gestellt, welches du nicht alle Tage erlebst. Wobei gerade musikalische Unterschiedlichkeiten die Rechhaltigkeit des Abends ausmachten. 

Wann oder ob ein nächstes Czar Fest stattfindet, sei noch zu besprechen, hiess es auf Anfrage. Wenigstens ein Grund, in der Zwischenzeit in den Kisten von Czar Of Crickets Productions zu wühlen und die eine oder andere Perle zu entdecken, bevor sie sich womöglich selbst entdeckt...

Merci für ein geniales Fest und (hoffnungsvoll) bis zum nächsten Mal!!!


(Text: C. Sturzenegger, veröffentlicht am 21.11.2023)


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