Manuel von Zeal & Ardor: «Ein Schweizer in Clisson»

Freitag 24. Juni 2022, Clisson, Frankreich. Hellfest. Der heutige Tag beginnt - es ist der erste Tag vom zweiten Teil des insgesamt 7 Tage lang dauernden Festivals - vergleichsweise spät, die ersten Bands spielen erst um 15:30. Zeal & Ardor werden am heutigen Tag um 19:20 die Bühne der Template-Stage betreten. Im Pressebereich bereits auf Mastermind Manuel Gagneux wartend der erste Schreck, Zeal & Ardor haben ihren geplanten Flug nach Nantes verpasst! Doch rasche Entwarnung, sie schafften es auf einen späteren Flug und landen gegen 14:00 in Nantes und schon gut eineinhalb Stunden später treffen wir einen gut gelaunten Manuel für ein kurzes Interview. 


HeAvYmeTaL.ch: Vielen Dank für deine Zeit und dass wir ein kurzes Interview mit dir führen dürfen! Reisen wir zuerst in die Vergangenheit. Wir durften dich schon einmal interviewen und zwar vor etwas mehr als 5 Jahren am Czar Fest in der Kaserne Basel - eurem ersten Konzert überhaupt. Seither ist bei euch unglaublich viel passiert!

Ja, das alles steht in gar keinem Verhältnis. Inzwischen sind wir zwei, nein zweieinhalbmal um die Welt getourt und haben auf 4 Kontinenten ca. 350 Konzerte gespielt - und da waren ja noch zwei "dunkle Jahre" dazwischen. Inzwischen fehlt eigentlich nur noch Südamerika, etwas peinlich. Aber ich denke, das wird recht crazy.

Ihr seit nach 2018 nun schon das zweite Mal am Hellfest. Wie sind deine Erinnerungen an das Festival - oder bekommt man das als Musiker gar nicht richtig mit?

Doch klar! Es gibt natürlich Bands, die trauen sich nicht so ins Getümmel, aber uns kennt man halt nicht so im Detail und wir können uns problemlos frei bewegen. Ich weiss noch, es war extrem eng und als wir spielten, auch enorm heiss, nicht zuletzt  im Zelt worin wir spielten (Anm. d. Red.: auf der Valley-Stage. Zwar sind die Zelt-Bühnen auf alle Seiten offen, so richtig heiss werden kann es aber trotzdem. Gerade auch in diesem Jahr ca. 40 Grad im Schatten!).

Jetzt zur Gegenwart: Götterdämmerung und J-M-B (Jazz-Metal-Baby) gehören zu meinen persönlichen Favoriten auf der neuen Platte (selbstbetitelt). Beide Songs bestechen mit zum grossen Teil deutschen Lyrics. Wie kams dazu?

Irgendwie habe ich halt gemerkt, es ist auch perkussiv, es ist eine richtig wütende Sprache und es hat schon einen Grund warum Rammstein so gross sind, das scheint zu funktionieren. Lustigerweise dachte ich beim Schreiben immer "nein du kannst nicht auf deutsch singen, das versteht doch niemand, die Message kommt nicht richtig an". Ich war wie komplett in meiner eigenen Welt, sodass ich die Existenz von Rammstein komplett vergessen hatte.

Und was bringt die Zukunft? In einem Interview mit dir bei Kerrang hast du schön zusammengefasst, in “Devil Is Fine“ ging’s um das Leben in Sklaverei, in Strange Fruit um die Flucht aus der Sklaverei und jetzt im aktuellen Album über das leben auf der Flucht / in Freiheit. Schon Ideen fürs nächste Album? Evtl. Rache an den Peinigern?

Sowas vielleicht ja, ich weiss nicht, oder Häuser bauen (lacht). Aber ich bin gar noch nicht so recht dort angekommen. Als erstes müssen wir jetzt wohl mal die kommenden Touren überleben. Nächstes Jahr wird dann wieder geschrieben.

Von vielen Schweizer Bands mit internationalem Erfolg ist zu hören, dass diese Im Ausland mehr Wertschätzung erfahren als in der Schweiz. Empfindest du das auch so?

Ja schon. Aber ich denke, das ist nicht zuletzt auch so, weil die Schweiz halt auch ein sehr kleines Land ist. Da gibt es in England oder den USA einfach mehr Publikum. Ich glaube, das Schweizer Publikum braucht oft auch wie zuerst eine Bestätigung damit es etwas "cool" findet und man ist etwas vorsichtig mit den Dingen aus den eigenen Reihen. Aber wie sagt man so schön? Man wird nie König im eigenen Dorf.

Apropos Schweiz: Schon in unserem Interview vor 5 Jahren unterhielten wir uns zusammen über Rassismus und die Unterschiede USA/Schweiz. Als die Black Lives Matter Proteste nach dem Tod von George Floyd Mitte 2020 ihren Höhepunkt erreichten, merkte man spätestens in der Arena auf SRF, wie schlecht wir auch hierzulande über Rassismus reden können. In der zweiten Arena Ausgabe warst du dann selbst als Gast anwesend. Wie kam es dazu?

Ich habe auf Twitter - ohje, wenn eine Story beginnt mit "auf Twitter"(lacht) - einen latent "hässigen" Kommentar hinterlassen und wurde daraufhin eingeladen. Aber vermutlich hätten sie das besser sein lassen (schmunzelt). 

Anm. d. Red.: Manuels Auftritt in der SRF Arena findet ihr hier.

Auf eurer EP “Wake of a nation” nahmst du dann auch direkt Bezug auf die Ereignisse. Wie war das Feedback?

Das war grundsätzlich gut. Einzelne YouTube-Kommentare bemängelten allerdings "ohh plötzlich wurden Zeal & Ardor politisch" - was haben die früher genau gehört in unserer Musik?! Als wäre das neu (lacht). Aber alles in allem kam die EP wirklich sehr gut an. Und ich denke darum haben wir neu auch viele Trans-Kids und auch viel mehr Schwarze in unserem Publikum, vor allem in den USA. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.

Black Lives Matter, Covid und jetzt führt Russland auch noch Krieg gegen die Ukraine. Was aktuell in der Welt passiert, stimmt nicht sehr hoffnungsvoll. Gibt es etwas, dass dich hoffnungsvoll stimmt und du unseren Lesern weiter geben könntest? Oder gibt es keine Hoffnung mehr und wir sind sowieso alle “doomed”?

Ich glaube, das Ding ist, in solchen Zeiten werden halt - eigentlich mega schlimm - viele gute, kreative Ideen geboren. Natürlich kann man sich in eben solchen Zeiten runter drücken lassen, aber der beste Protest ist wohl einfach weiter machen. Das sage ich, der noch nie in einer wirklich schwierigen Situation war, weisst du was ich meine? Ein Schweizer in Clisson (schmunzelt).


Off the record plaudern wir noch einige Minuten weiter, unter anderem über unsympathische Bands bei denen man froh wäre man hätte die Personen hinter den Künstlern nie kennengelernt. Aber what happens at Hellfest, stays at Hellfest. Bald darauf machte sich Manuel dann auf den Weg das Festival-Gelände zu erkunden um später mit seinen Mitmusikern für eine weiteres Konzert-Highlight an diesen 7 Tagen Hellfest zu sorgen. Die gesamte Show stellt ARTE Concert auf Youtube zur Verfügung:



HeAvYmeTaL.ch ist ein gemeinnütziger Verein, der die Schweizer Metalszene nach Kräften unterstützt. Falls du einen Beitrag leisten willst: Von der eigenen Mitgliedschaft bist du DIESEN EINEN KLICK entfernt.

Verspürst du gar Lust, dich redaktionell zu betätigen, schreibst du uns am besten.